Vor etwas über 9 Jahren war einer der schönsten Tage meines Lebens.
Ich hatte meinen sicheren Job gekündigt, den letzten Arbeitstag im Büro verbracht und fuhr mit einem bis unters Dach vollgepackten kleinen C2 nach Bielefeld, um dort ein ganz neues Leben zu beginnen. Selbstständig. Frisch verheiratet. Ohne meine Freunde und Familie, fern der "Heimat". Noch heute beginne ich nur beim Gedanken an diesen Moment, dieses Auto, diese FAHRT IN DIE FREIHEIT direkt zu lächeln... Viel zu lange hatte ich aufgrund meines Sicherheitsbedürfnisses darauf gewartet und gehofft, dass mein Chef der inständigen Bitte um die Halbtagsstelle und/oder den Telearbeitsplatz zustimmen würde. Ich hatte mir eine eigene Deadline von 2 Jahren gesetzt, bis sich etwas ändern müsste. Immer wieder fragte ich nach, hatte Argumente und bot moderne Lösungswege an. Da ein unkündbarer Job für alle in meinem Umfeld absolut super war, stieß meine Konsequenz "Dann werde ich jetzt kündigen!" nicht gerade auf begeisterten Zuspruch. Die damalige Chefin meines Chefs bat mich zum Gespräch in ihr Büro und fragte mich nach meinen Plänen. Diese wurden kommentiert mit: "Aber, Frau Appel, wer will sich denn von Ihnen coachen lassen? Das glauben Sie doch nicht wirklich?!" Einen kurzen Stich hat diese Reaktion schon in mir hinterlassen, aber auch ein seltsamerweise recht selbstbewusstes "Ja, das glaube ich, denn es ist ja bereits so."
Und dann dieser neue Mann in meinem Leben - mit dem ich dort ganz allein und komplett neu anfangen wollte?! Ob ich mir da sicher sei?! Ob ich nicht alles erst noch einmal abwarten wolle?
Rückschau auf die Ursprünge
In den letzten Tagen erinnere ich mich ganz bewusst an die Anfänge und Ursprünge meiner Praxis. Ein Jubiläum, egal wie groß oder klein es auch sein mag, ist immer ein guter Anlass für ein Innehalten, eine Bestandsaufnahme.
Nach fast 5 Jahren "heimlicher" nebenberuflicher Tätigkeit (ja, denn ich hatte keine website, keinen Flyer, keinerlei Werbung außer den persönlichen Empfehlungen), startete ich damals vor 9 Jahren mutig ins Abenteuer Selbstständigkeit mit gleichzeitigem Wohnortwechsel. Es war absolut gewagt, denn mein wundervoller gewachsener KlientInnenstamm im Frankfurter Raum würde nicht einfach "mitkommen". So arbeitete ich dann auch lange Zeit an beiden Orten, fuhr immer wieder in eine angemietete Praxis dort vor Ort und gab tageweise Sitzungen oder Seminare im Rhein-Main-Gebiet. Nach und nach hat sich diese Tätigkeit ins feine Kalletal verlagert. Hier ist mit unserer Jurte ein rustikaler Ort am Rande eines Dorfes inmitten der Natur entstanden, an dem wir im Kreis ums Jurtenfeuer sitzend mit unseren TeilnehmerInnen uriges Stammesgefühl schnuppern.
Wir? Ja, wir. Denn der neue Mann in meinem Leben war Dirk Grosser - und er ist es bis heute. Kennengelernt hatten wir uns 2009 bei einem Kurs des wunderbaren Philip Carr-Gomm, den Dirk übersetzte. Über das Druidentum, Schamanismus, Mystik, Jesus, Weltreligionen, Naturspiritualität in allerlei Formen und die Natur selbst konnten wir uns bis morgens um 5 Uhr ohne Probleme unterhalten - und trotz gemeinsamen Lebens und Arbeitens: wir können es bis heute. Und aus manchen dieser Unterhaltungen wurden Inspirationen und aus diesen später Bücher, CDs und Seminarkonzepte.
Der Sprung in die Selbstständigkeit - eine Herausforderung
Was jetzt zwischen den Zeilen ganz wunderbar nach Berufung trifft Liebesgeschichte klingt, war natürlich nicht immer einfach. Der Sprung von der gesichterten Existenz in die Selbstständigkeit kann generell von Stolpern geprägt sein und ich kann nicht behaupten, dass ich es mit einem zeitgleichen Standortwechsel sehr empfehlen würde ;-) wobei das heute mit den Möglichkeiten von Onlinekursen und Co. etwas weniger eine Rolle spielen mag.
Doch als ich eben in meinem Praxisbüro auf diesen Artikel des Yoga Journal vom Januar 2013 gestoßen bin (damals war ich etwa 2,5 Jahre voll selbstständig) war es direkt wieder ganz warm in meinem Brustkorb und das Lächeln ließ nicht auf sich warten. Ich erinnere mich ganz genau daran, wie ich der Redakteurin Diana Krebs damals schrieb "Man sollte nicht kopflos springen - aber springen sollte man!" Ein wenig Recherche vor Ort, Gesetzeslage in vielen Bereichen checken und einen echten Plan zusätzlich zum leidenschaftlichen Feuer auf seinem Weg des Herzens zu haben, schadet ganz gewiss nicht. Doch man sollte bei allen inneren Sicherheits-Antreibern niemals unterschätzen, was es mit uns Menschen macht, wenn wir zu lange am falschen Ort sind. In meinem früheren Beruf war ich am falschen Platz, konnte nicht kreativ sein und fühlte mich mehr und mehr wie ein Vogel mit gestutzten Flügeln und der Sehnsucht nach Freiheit und Sinn. Erfolg geht für mich nicht unbedingt mit Geld einher, sondern mit ERFÜLLUNG. Diese Fülle im Inneren, die sich als Lächeln im Gesicht, in leuchtenden Augen, im freudvollen Aufwachen am Morgen findet und die durch den Tag begleiten darf. Mehr als 6,5 Jahre nach diesem Artikel kann ich immer noch sagen: Ich habe es nie bereut!
Alles Stolpern wurde Teil des großen Tanzes, alles Stolpern lehrte mich zu wachsen, die Komfortzone zu erweitern, Kurskorrekturen vorzunehmen, achtsam nach mir zu schauen. Immer wieder meine Werte, meine Gesundheit, meine Freude, meine Liebe zu diesem Weg und den Spirits zu betrachten und mehrmals im Jahr Zeiten des bewussten Nachspürens bereitzuhalten: ist das noch mein Weg?
All die Jahre war das Nachspüren und die Intuition der beste Ratgeber - was bis heute dazu führt, dass es manche Kurse nur einmal gibt (und das nächste Mal vielleicht erst 6 Jahre später...) oder sich gemeinsam mit den Spirits neue Themenfelder eröffnen, die zunächst von mir erforscht werden und irgendwann, wenn die Zeit reif ist, mit anderen Menschen geteilt werden dürfen. Die Preise für vieles seit 2007 genau gleich belassen zu haben - egal, was Menschen im Außen darüber denken, einem raten, welche Kostenveränderungen durch Mehrwertsteuerpflichtigkeit/insgesamt andere Steuer- und Versicherungssätze sich ergeben haben oder wie sehr man selbst sich inzwischen weiterentwickelt hat -, damit es sich jede/r leisten kann. Sein "Business" und "Marketing" mit Spirits abzustimmen, mag einen von außen betrachtet nicht irre flott voranbringen und in kurzer Zeit große Followerzahlen in den sozialen Netzwerken generieren... und vielleicht sogar ziemlich schräg wirken. Doch der schamanische Weg beinhaltet für mich in allem Tun die Sicht der Anderswelt - und die hat mich bisher nie im Stich gelassen. Ich darf ganz entspannt in meinem Tempo morgens mit Yoga starten, mitten am Tag einen langen Gang mit den Hunden genießen, Kräuter ernten und verarbeiten, den Erlebnissen mit SeminarteilnehmerInnen nachsinnieren und dann umsetzen, was als Eingebung kommt. Einen größeren Luxus kann ich mir (vor allem auch im Vergleich zu diesem Öffentlichen Dienst, der sich wie ein früheres Leben anfühlt) überhaupt nicht vorstellen.
Das Interview
Diese Zeilen schreibe ich einerseits um dich zu ermutigen und dir zu zeigen, dass es absolut möglich ist, seinen Traum zu verwirklichen! Zum anderen ist es ein Nachverfolgen meiner eigenen Spur und im Hier und Jetzt eine Transparenz zu vergangenen Zeiten. Dazu teile ich mit dir einen Ausschnitt aus den Antworten auf die Fragen, die mir die Redaktion zum Erstellen des Artikels damals gestellt hat - vielleicht können diese vollständigen Antworten dir dienlich sein, wenn du gerade ähnliche Schritte in Erwägung ziehst ;-) Ich würde mich freuen!
Hier findest du sie:
1.
Hast du diesen Schritt je bereut?
Nein! Im November 2011 hatte ich einen kurzen Seufzer, dass ich ja eigentlich nun Weihnachtsgeld hätte... doch das war der einzige wehmütige Moment in der ganzen Zeit! Selbstständig zu sein ist vieles zugleich: wundervoll, kreativ, komplett eigenverantwortlich, vielleicht auch mal finanziell unbeständig, was Klientenaufträge und Sommerlöcher angeht – es ist einerseits Freiheit und andererseits nötigt es einem große Disziplin ab. Dadurch, dass ich in meiner Tätigkeit das Studiosprechen für Meditations-CDs, meine Schamanische Beratungspraxis, Seminare leiten und sogar jetzt mein erstes Buch schreiben konnte, fehlt mir und meinem kreativen Herzen rein gar nichts! Ich hatte 2 Jahre lang auf eine Halbtagsstelle gehofft und gewartet, mich auch ein wenig hinhalten lassen und muss rückblickend sagen: ich hätte viel früher gehen sollen! :-) Gut war dennoch, dass ich lange Zeit praktische Erfahrungen mit Einzelsitzungen gesammelt und nicht nach dem ersten Kurs sofort eine Praxis eröffnet habe. So bin ich sehr praxiserprobt ins neue Leben gesprungen.
2. Was würdest du Menschen raten, die sich an einer Wegkreuzung befinden, und dich um Rat bitten?
Ich würde grundsätzlich die gute alte Pro-Kontra-Liste bemühen und nach rationaler Überlegung und einem klaren Blick auf die Liste, mein Herz entscheiden lassen. Allen Menschen, die sich gerade in den spirituellen Berufen verwirklichen wollen, rate ich eine klare Auseinandersetzung mit den wichtigen Aspekten der sicheren Rechtslage, Steuerfragen, Marketing, Werbung(sverbote) und allem, was zu einer erfolgreichen Praxisführung dazugehört. Ein Talent als Coach oder Geistheiler allein, führt nicht zwangsläufig zu einer gut laufenden Praxis. Hier müssen also auch sehr materielle und erdende Dinge geklärt werden, worauf ich heute in Supervisionen für Kollegen großen Wert lege. Wenn dies jedoch auch im Talentbereich dieses Menschen liegt oder er es delegieren kann, so kann ich nur sagen, dass es sich lohnt, für seine Träume zu gehen, ins kalte Wasser zu springen und Mut aufzubringen! Einen Beruf auszuüben, der sich nahezu nicht nach Arbeit anfühlt, sondern einen mit Freude erfüllt, macht das ganze Leben so viel leichter und lebenswerter! „Mut steht am Anfang – Glück am Ende“ heißt es und mein Leben ist für mich inzwischen nicht mehr anders vorstellbar. Mein Rat: auf keinen Fall kopflos springen – aber springen! :-)
Ein herzliches Dankeschön an dieser Stelle an Diana Krebs, die mich damals interviewte und an die Zeitschrift Yoga Journal, die seither auch einige unserer Bücher vorgestellt hat.
Riesige Dankbarkeit an all jene, die sich "den Unkenrufen zum Trotz" in all den Jahren von mir haben begleiten lassen! Die Reise geht weiter... ;-)